Podiumsdiskussion zum Lieferkettengesetz

Unsere Veranstaltung

Wir vom Eine Welt Verein Dieburg unterstützen die Forderungen nach einem Lieferkettengesetz (LKG). Deutsche Unternehmen müssen für die Produktionsbedingungen ihrer Produkte im Ausland haftbar werden. Im Januar 2021 luden wir zu einer digitalen Informations- und Diskussionsveranstaltung ein. Das Thema muss unbedingt in die Öffentlichkeit und Politiker sollten Stellung beziehen. Es hat uns gefreut, dass wir folgende Bundestagsmitglieder in digitaler Runde begrüßen durften:
 

- Frau Patricia Lips (CDU)

- Herr Dr. Jens Zimmermann (SPD),

- Frau Daniela Wagner (Bündnis90/ Grüne) 

- Herr Till Mansmann (FDP) 

Außerdem dabei waren:

Herr Thomas Rudhof-Seibert, Referent für Menschrechte bei medico international

Herr Caspar Priesemann (Inhaber von glore Frankfurt - Mode und Lifestyle).

und als Moderator Herr Lars-Oliver Hennemann (Chefredakteur des Darmstädter Echo).

Die Podiumsdiskussion wurde live auf YouTube übertragen und ist in unserem Channel weiterhin zu sehen.

Unsere Veranstaltung planten wir in Kooperation mit den Weltläden Darmstadt und Babenhausen, der Volkshochschule DA-DI, dem Katholischen Dekanat Dieburg, dem Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald, dem Entwicklungspolitschen Netzwerk Hessen und der Kolpingsfamilie Dieburg. Die Veranstaltung wurde gefördert durch Engagement Global mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Vielen Dank an alle Beteiligten!! Es war ein sehr konstruktiver Austausch.

Sendung verpasst? Kein Problem hier geht es zur Aufzeichnung auf unserem Youtube-Kanal.

 

Und hier finden Sie die eingereichten Zuschauer*innen-Fragen zum Thema:

Wir haben eine ganze Reihe von Fragen während der Podiumsdiskussion bekommen. Einige konnten wir selbst beantworten. Ansonsten haben wir diese weitergeleitet.

Bitte auf den grauen Balken klicken um die jeweilige(n) Frage(n) und Antwort(en) zu öffnen.

Frage von dparduhn - unsere Antwort

Guten Abend!

Wurden zu der heutigen Veranstaltung auch Vertreter*innen der LINKEN und der AfD eingeladen?

Wenn ja, wer hat abgesagt?

Wenn nein, warum nicht?

Beste Grüße aus Hamburg!

Antwort von Gerhard:

Wir wollten uns auf die MdBs aus unserem Wahlkreis beschränken, weil wir mit diesen zu dem Thema schon in Kontakt waren. Wir haben dann den Kreis mit denen aus der unmittelbarer Nachbarschaft ergänzt.

Fragen von d.schiechel - mit unseren Antworten

Warum war kein Vertreter des globalen Südens im Podium dazugeschaltet?

Unsere Antwort:

Die Podiumsdiskussion war als Präsenzveranstaltung geplant. Ziel war es, Näheres über den Stand des Verfahrens zu einem Lieferkettengesetz zu erfahren. Als dann klar wurde, dass wir es online stattfinden zu lassen, haben wir uns darauf konzentrieren müssen. Daher haben wir es nicht in Erwägung gezogen. Aber wir könnten uns durchaus vorstellen, unter einer erweiterten Fragestellung, diesen Vorschlag aufzugreifen, zumal wir nun einiges zu Online-Veranstaltungen gelernt haben.

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Gibt es eine Möglichkeit für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen, Entschädigung einzuklagen?

 

Antwort von Herrn Mansmann:

Das ist im Grunde jetzt schon möglich, wenn nach deutschen Gesetzen ein Verschulden festgestellt werden kann. Praktisch ist der Rechtsweg natürlich für Menschen gerade in entwicklungspolitischen Partnerstaaten schwierig. Deutsches Recht, die Amtssprache Deutsch und hohe Kosten für Rechtsanwälte sind Hürden – gerade im Vergleich zu den Einkommen der Menschen dort, die sich Dolmetscher oder Rechtsanwälte oft nicht leisten können, ist das sehr, sehr viel Geld und der Ausgang ist immer ungewiss. Ich bin überzeugt, dass ein Lieferkettengesetz zwar dieses Thema ansprechen kann, aber diese grundsätzlichen Hürden auch nicht wesentlich niedriger macht. Aus meiner Sicht ein weiterer Grund, das auf der Handelsebene, und eben nicht auf der Ebene des deutschen Straf- oder Zivilrechts, anzugehen.

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Was wünschen die Partner im Globalen Süden? Warum wurde darauf verzichtet eine solche Stimme zusätzlich mit in die Diskussionsrunde einzubeziehen?

Unsere Antwort:

Herr Rudhof-Seibert hat dies anklingen lassen in seinem Statement. Jemand aus dem globalen Süden einzubeziehen, haben wir bei der Vorbereitung nicht ins Auge gefasst, da die Podiumsdiskussion zunächst als Präsenzveranstaltung geplant war. Aber wir können uns durchaus vorstellen, unter einer erweiterten Fragestellung, diesen Vorschlag aufzugreifen.

Frage 1 von gkraft - mit unseren Antworten

hallo,

das ist eine veranstaltung vom weltladen dieburg. da hätte ich gerne ein statement vom veranstalter.

hat der weltladen einen überblick über seine lieferketten? denn er bietet ja genau die waren an, die von einem lieferkettengesetz "betroffen" wären. oder verlässt sich der weltladen ausschließlich auf "faire" importorganisationen? und falls ja: sind diese kriterien beispielgebend für ein denkbares lieferkettengesetz?

 

Antwort von Barbara und Gerhard:

Hallo Herr Kraft,

danke für Ihre Teilnahme an der Diskussion zum Lieferkettengesetz und Ihr Interesse am Weltladenkonzept. 

Die Weltläden selbst sind natürlich nicht in der Lage, die Lieferketten für die Produkte, die im Laden angeboten werden, nach zu verfolgen.

Diese wichtige Aufgabe wird durch das zentrale Netzwerk der Weltläden und Aktionsgruppen für Fairen Handel, dem Weltladen-Dachverband, wahrgenommen.

Die meisten Weltläden sind Mitglied im Weltladen-Dachverband. Dieser erstellt einen Lieferantenkatalog (https://www.weltladen.de/fuer-weltlaeden/lieferantenkatalog/lieferantensuche/), der den Weltläden eine Orientierungshilfe bietet.

Hier werden alle Importorganisationen gelistet, die der Weltladen-Dachverband erfolgreich überprüft hat. Dazu müssen die Importorganisationen ein Anerkennungsverfahren durchlaufen. Den genauen Ablauf dieses Verfahrens können Sie auf der Website des Weltladen-Dachverbandes erfahren:

https://www.weltladen.de/produkte-handelspartner/fuer-lieferanten/das-anerkennungsverfahren/

Zum einen, da ein Anerkennungsverfahren sehr lange dauert und zum anderen, wenn bestimmte Kriterien dafürsprechen, können die Mitgliedsweltläden auch in einem geringen Umfang Produkte nicht anerkannter Lieferanten verkaufen, sofern dieses nicht im Widerspruch zur "Konvention der Weltläden" steht.

Für die Mitglieder des Weltladen-Dachverbandes ist die "Konvention der Weltläden" verbindlich. In dieser Konvention sind die Kriterien für den Fairen Handel definiert. Siehe  https://www.weltladen.de//site/assets/files/2990/5_konvention_der_weltlaeden_2019.pdf

Weltläden, die nicht oder noch nicht im Weltladen-Dachverband organisiert sind, orientieren sich bei ihrer Lieferantenauswahl ebenfalls an dem Katalog des Dachverbandes und den Kriterien für den Fairen Handel.

Darüber hinaus unterzeihen wir uns, wie viele andere Weltläden auch, einem Monitoring. Diese werden entsprechend den Kriterien der WFTO (World Fair Trade Organisation) durchgeführt. Der Weltladen Dachverband, als Mitglied der WFTO organisiert dieses Monitoring. Hierin werden gezielt die Bereiche unter die Lupe genommen, die für die Einhaltung der Konventionen, der Weiterbildung der Mitarbeiter*innen, etc. wichtig sind.

 

Frage 2 von gkraft mit Antworten von Herrn Mansmann und Frau Lips

hallo,
ich kann verstehen, dass kleinere und mittlere unternehmen probleme haben den bedingungen eines lieferkettengesetzes nachzukommen. damit sind die großen unternehmen eindeutig im vorteil.
wie wäre es denn mit folgendem: nicht das einzelunternehmen ist zuständig für eine "saubere" herstellung, sondern der staat - zollkontrolle! - lässt nur produkte ins land, die mindeststandards genügen? oder pragmatisch: es gibt eine schätzung, um wieviel teuerer das produkt nach lieferkettengesetz wäre, erhebt den zoll/ die "lieferkettengesetz-abgabe" und schickt das geld zurück ins produzentenland. dann wäre die diskussion um wettbewerbsvorteil durch niedrigere preise erledigt. denn das "unsaubere" produkt kostet dann gleichviel wie ein vergleichsprodukt.

Antwort von Till Mansmann:

Das entspricht weitgehend unseren Vorstellungen: Da für den gemeinsamen Binnenmarkt die EU den Welthandel regelt, muss es letztlich auf dieser Ebene eine Lösung geben, nicht erst auf der darunter liegenden Ebene der EU-Nationalstaaten. Das gilt übrigens nicht nur für entsprechende Fragen der Menschenrechte und des Sozialschutzes, das vom Lieferkettengesetz bedient werden soll, sondern auch zum Beispiel für den Klimaschutz (CO2-Bepreisung des Energieaufwands von Produkten) oder Fragen der globalen Steuervermeidung.
Was die Kostensteigerung für Produkte angeht: Das ist pauschal schwer zu beantworten, da sehr komplex und von Produkt zu Produkt unterschiedlich. Ich bin aber fest überzeugt, dass die Preissteigerung nicht wirklich hoch wäre. Was wir dafür bekommen würden, mehr globale Fairness im Handel, wäre im Wert ungleich viel höher. Dazu muss aber eine starke Regulierung erfolgen, für die ein einheitliches, aus Sicht des Welthandels klares Handlungsmuster vorliegen muss. Das sehen wir bei der EU, nicht im nationalen Rahmen. Letztlich kommen wir um diese Ebene auch nicht herum – stellen wir uns vor: Ein deutscher Hersteller darf dann zum Beispiel Coltan aus dem Kongo nicht mehr verwenden, weil das dort unter äußerst problematischen Bedingungen auch von Kindern gewonnen wird. Setzen wir nur auf ein Lieferkettengesetz, so kann ein chinesischer oder amerikanischer Hersteller jedoch sein Handy damit bauen – und dann in die EU exportieren. Solche Umgehungen müssen auf der Basis multilateraler Verträge verhindert werden, wenn man wirklich Erfolge erzielen will. Die dafür zuständige Ebene ist die EU, und dort sollte entsprechend auch die gesamte Frage behandelt werden – und zwar tatkräftig.

Antwort Frau Lips: 

Zusätzliche Zollkontrollen in dem dann erforderlichen Umfang und eine Prüfung und Festlegung der „fairen“ Preise nach den Bedingungen der gesamten Lieferkette durch die Zollbehörden halte ich nicht für realistisch umsetzbar.

Auch kommen Sie hier wieder zu einem Problem mit dem europäischen Binnenmarkt. Ein Produkt, das einmal in die Europäische Union eingeführt worden ist, kann ohne weitere Kontrollen in jedem EU-Mitgliedsstaat weiterverkauft werden. Nach diesem Modell müsste man sich nur einen europäischen Staat aussuchen, der kein oder nur ein „sanftes“ Lieferkettengesetz hat, um die Produkte einzuführen. Dies ist ein weiterer Grund, der dafür spricht, dass wir eine europäische Regelung forcieren sollten.

Frage 3 und 4 von gkraft und Antworten der Initiative Lieferkettengesetz und Frau Lips

hallo,

wenn denn ein lieferkettengesetz kommt - da scheint ja der konsens in der regierungskkoalition vorhanden sein -  führt dies sicherlich dazu, dass viele produkte, auch die für den täglichen verbrauch, teuerer werden. das ist völlig in ordnung. jedoch denke ich an die immer größer werdende zahl von familien mit geringem einkommen. die schere zwischen arm und reich in deutschland geht ja weiter auseinander. müsste dann nicht auch automatisch/parallel mit einem lieferkettengesetz die unterstützungslesitungen für einen teil der konsumentInnen angehoben werden? denn was hilft die weltweite "saubere" und faire herstellung von produkten, die dann aber das familienbudget zu stark belasten?

weitere frage: gibt es schätzungen, wie sich ein lieferkettengesetz auf dei verbraucherInnen-preise auswirkt?

Antwort der Initiative Lieferkettengesetz:

Es ist schwierig, dazu allgemein gültige Aussagen zu treffen. Preisentwicklungen hängen davon ab, ob und inwiefern Unternehmen höhere Kosten auf den Endpreis umlegen. Wenn eine gesamte Branche zur Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferkette verpflichtet wird, ist es möglich, dass die Kosten für ein einzelnes Unternehmen sinken. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Mehrkosten für Unternehmen durch ein Lieferkettengesetz in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Zum Beispiel gehen von dem durchschnittlichen Preis einer Tafel Vollmilchschokolade (0,89 Euro) derzeit zwischen vier bis fünf Cent als Lohn an die Kakaobäuer*innen in Ghana und der Elfenbeinküste. Würde der Lohn auf ein existenzsicherndes Niveau angehoben, wäre eine Vollmilchschokolade für Konsument*innen in Deutschland etwa fünf Cent teurer. Die Zeitschrift WirtschaftsWoche hat 2017 geschätzt, dass sich bei einem Mittelklassewagen mit einem Kaufpreis von 25.000 Euro die Mehrkosten für faire Rohstoffe (insbesondere Stahl, Kupfer, Aluminium und Platin) auf insgesamt etwa 200 Euro belaufen. Wichtig ist ein verbindliches Gesetz, das die gesamte Branche in die Pflicht nimmt, da sonst Unternehmen, die allein Standards verbessern, an der Preisfrage scheitern können.

Antwort Frau Lips:

Belastbare Schätzungen über Preisverteuerungen sind mir nicht bekannt; während Befürworter von Lieferkettenregelungen z.B. nur von Centbeträgen pro Tafel Schokolade sprechen, befürchten Wirtschaftsverbände erhebliche Verteuerungen.

Aber Sie können sich sicher sein, dass der Kostenaufwand der Unternehmen an die Verbraucher weitergeben wird. Insofern rechne ich durchaus mit Teuerungen.

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hallo,

mir geht es auch um den aspekt: wie sollen einkommenschwächere familien höhere preise zahlen?

Antwort Frau Lips:

Ich verstehe das Anliegen gut, möchte aber darauf hinweisen, dass bereits heute viele sicher sinnvolle, aber deutlich teurere Produkte wie z.B. auch Biolebensmittel häufig für Einkommensschwache nur schwer erschwinglich sind, erst recht, wenn sie von Sozialleistungen leben. Der Staat kann auf Kosten aller Bürgerinnen und Bürger nur eine Grundversorgung ermöglichen. Die Folge von Verbesserungen bei der Lieferkette können bei möglichen Preisanstiegen nicht zugleich deutlich erhöhte Sozialleistungen sein.

Fragen von lreinhard7 und Antworten von Herrn Mansmann und Frau Lips:

Hallo,

ich haette eine Frage zum Thema Lieferkettengesetz und der EU CSR Richtlinie.

Kann einer der Teilnehmer erklaeren was genau der Unterschied des Lieferkettengesetzes und dieser Richtlinie ist?

Antwort von Till Mansmann:

Die Richtlinie ist eine Vorgabe der EU, wie nationale Gesetzgebung ausgestaltet werden soll, damit sie vertragskonform ist. Das nationale Lieferkettengesetz ist schlicht ein nationales Gesetz. Wenn alles richtig läuft, entsprechen nationale Gesetze dann der Richtlinie. Wenn das nicht der Fall ist, und sich andere daran stören, kann es zu Vertragsverletzungsverfahren kommen. Vor dem EuGH werden solche Fälle dann verhandelt. Rechtliche Grundlagen der Verhandlung sind dann die europäischen Verträge einschließlich der Richtlinien und die nationalen Gesetzgebungen.

Antwort von Frau Lips:

Dies sind gesetzliche Regelungen, die thematisch ähnlich sind, aber parallel laufen:

Die CSR-Richtlinie wurde 2014 zur Erweiterung der Berichterstattung von großen kapitalmarktorientierten Unternehmen, Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Versicherungsunternehmen verabschiedet. Ziel der Richtlinie ist es insbesondere, die Transparenz über ökologische und soziale Aspekte von Unternehmen in der EU zu erhöhen bzgl. Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen sowie der Achtung der Menschenrechte und der Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Deutschland hat die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt mit dem CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz. 

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Weitere Frage:

Hallo,

mich wuerde gerne interessieren, warum es mit der Umsetzung des Lieferkettengesetzes so lange dauert, wenn sich doch viele einig sind, dass wir dieses Gesetz brauchen?

Antwort von Till Mansmann:

Die Tatsache, dass sich „viele einig“ sind, genügt nicht – es muss eben im Bundestag eine Mehrheit erreicht werden. Da in der Großen Koalition einige Fragen noch strittig sind, ist diese Mehrheit noch nicht hergestellt.

 

Antwort von Frau Lips:

Im Ziel sind wir uns, glaube ich, schon alle einig, dass wir eine Verbesserung bei Arbeitsbedingungen und Menschrechten in den Schwellenländern benötigen. Jedoch wird ein Lieferkettengesetz dieses Problem nicht alleine lösen. Wir sehen ja, dass die bereits existierenden Lieferkettengesetze z. B. aus  dem Vereinigten Königreich, Frankreich und  den Niederlanden sehr unterschiedlich sind, welche Form der Verletzungen überhaupt in Betracht gezogen werden soll, und ob es eine Sanktion oder Schadenersatzforderung vorgesehen sind. Mir ist in der Tat ein vernünftiges Gesetz lieber, als nur einen zahnlosen Tiger auf den Weg zu bringen, der zwar den Unternehmen mehr Pflichten aufbürdet, aber für die Menschen in den Schwellenländern keinen signifikanten Vorteil erkennen lässt. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit auch für ein Lieferkettengesetz.

Die federführenden Ministerien für Entwicklungszusammenarbeit, Arbeit und Soziales sowie Wirtschaft haben nach langen Verhandlungen nun am 12.2.2021 eine Einigung für ein deutsches Lieferkettengesetz erzielt, welches noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll.

Das Gesetz soll ab dem 1.1.2023 für ca. 600 große Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern gelten; ab Anfang 2024 auch für Unternehmen auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern (ca. 2.900).

Bis Mitte März soll ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegen, der dann ins Parlament geht.

Die großen Unternehmen müssen künftig für ihren eigenen Geschäftsbereich, aber auch für ihre unmittelbaren Zulieferer prüfen, ob es nicht zu Menschenrechtsverstößen wie etwa Kinderarbeit oder moderner Sklaverei kommt. Dies müssen sie in Berichten nachweisen.

Prüfen wird dies das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) - es kann Firmen auch vor Ort kontrollieren und etwa Beweise sichern. Bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht kann das Bafa Bußgelder verhängen. Ein Unternehmen kann auch bis zu drei Jahre lang von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Weitere Frage:

Gibt es eine Möglichkeit für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen, Entschädigung einzuklagen?

Antwort von Frau Lips:

Gewerkschaften und NGOs werden nach der Einigung der Regierung vom 12.2.2021 im Namen eines Menschenrechtsverletzten und mit seiner Zustimmung zusätzlich im Wege der Prozessstandschaft in Deutschland klagen können.

 

Fragen von joelbel und Antworten von Herrn Mansmann und Frau Lips:

Guten Abend,

Vielen Dank für diese spannende Diskussionsrunde!

Ich bin Public Health Studentin an der Universität Maastricht und schreibe aktuell meine Bachelor Arbeit über die Auswirkungen eines Europäischen Lieferketten Gesetzes auf die Gesundheit und Lebensbedingungen von Minenarbeitern die in der Demokratischen Republik Congo (DRC) die Minerale Cobalt fördern.

Nach meiner bisherige Recherche bin ich nun sehr verwundert über ihre große Einstimmigkeit, dass das Lieferkettengesetz das richtige Mittel zum Zweck des Menschenrechtsschutzes ist. Tim Matman hat da schon ganz richtig Angeschnitten, dass große Europäische Firmen und Investoren profitieren würden und Bedingungen für Kleinbauern und Kleinunternehmen noch prekärer werden.

Für die Beantwortung der Fragen ist es vielleicht wichtig zu wissen das 20% der Minenarbeiter*innen in der Demokratischen Republik Congo in Handwerklichen Minen arbeiten.

Meine Fragen:

  1. In wie weit ist das Lieferkettengesetz eine Antwort auf Konsumentenpräferenzen - könnte man kritisch äußern: “Greenwashing" für Menschenrechte?
  2. Entwicklungs-Kooperation beinhaltet schon das Wort ‘Kooperation’ - Das Lieferkettengesetzt wird mit Stimmen aus Europa gebildet und betroffene Länder werden nicht mit einbezogen.

Wie stellen Sie sich die Konsequenzen dieses Gesetztes Vorort (in Ländern aus denen die Ressourcen   kommen) konkret vor?

2.1. Alleine bürokratisch wird das Gesetz für Kleinbauern kaum Erfüllbar sein. Wie sollen Kleinbauern und Handwerkliche Minenarbeiter den Vorgaben gerecht werden?

  1. Wenn Ausländische Investoren die Förderung und Produktion von, sagen wir mal Mineralien, übernehmen, wie soll eine Eigenständige und Nachhaltige Entwicklung des Landes gefördert werden?
  2. (fehlt)
  3. Das verbieten von Handwerklichen Minen in der DRC hatte 2010 (nach der Einführung des Frank-Doll Acts aus den USA) negative Auswirkungen auf Einkommen dieser Menschen. Viele wurden in dieser Zeit von Rebellengruppen rekrutiert. Wie soll sichergestellt werden, dass Kleinbauern Vorort nicht ihre einzige Lebenserhaltende Einkommensquelle verlieren?
  4. Bekommen Sie, als Politiker Briefings über alle Möglichen Auswirkungen des Gesetztes, sowie über die Implementierungspläne, oder besteht ein Kommukationsdefizit?

 

Vielen Lieben Dank, Ich würde mich Freuen wenn sie so viele Fragen wie möglich beantworten könnten und hoffe dass wir so gemeinsam dem Ziel näher kommen Menschenrechte zu schützen!

Follow up:

 

Die Europäische Lösung wurde Im Herbst vom Parliament vorgeschlagen und soll noch in den kommenden Monaten weitergetragen werden.

Herr Seibert, sollen wir wirklich die negativen Auswirkungen des Deutschen Gesetztes (auf die Herr Mansmann hindeutete) akzeptieren um einen push für politische Aktion zu geben?

Grüße,

Johanna Elbel

Antwort von Till Mansmann:

1. bis 5.: Auch aus meiner Sicht ist ein Lieferkettengesetz ganz massiv der Gefahr ausgesetzt, zu einem „Greenwashing“-Gesetz zu werden. Richtig ist, dass zur Verbesserung der menschenrechtlichen und sozialen Lage in vielen Ländern Druck ausgeübt werden muss. Das LKG versucht, das auf der Basis des deutschen Straf- und Zivilrechts zu erreichen. Ich bin überzeugt, dass das globale Handelsrecht, unter Einsatz der gebündelten Marktmacht der EU, ein wesentlich schärferes Schwert wäre, weil so auf andere Staaten und deren Gesetzgebung im Ganzen deutlich mehr Druck ausgeübt würde, die rechtliche Situation im Land zu verbessern. Ein LKG ist im Grund eine für andere Länder stellvertretende Bankrotterklärung: Für ein LKG wird argumentiert, die Staaten würden das ja nicht regeln, also müsste man es auf das deutsche Recht verlagern (wobei auch eine gehörige Portion an Missachtung der Strukturen in anderen Staaten mitschwingt, die mich manchmal fast an koloniale Zeiten erinnert). Am Ende muss dann das deutsche Recht tief in die anderen Staaten hineingreifen – denn auch ein deutsches Gericht könnte ja ein Urteil nur fällen, wenn die Faktenlage eindeutig ist, was belastbare Ermittlungsergebnisse aus den anderen Ländern erfordert. Der Gesetzgeber der anderen Länder bleibt dabei außen vor, was ein systematisch sehr schwerer Fehler ist. Ganz richtig und wichtig ist (und da danke ich für den Hinweis, darüber habe ich mir noch gar nicht so viel Gedanken gemacht), die Situation der sogenannten informellen Wirtschaft zu berücksichtigen: Ein Unbedenklichkeitsnachweis im Sinne eines Lieferkettengesetzes ist hier auch meines Erachtens nicht möglich – was alle Beschäftigten der informellen Wirtschaft massiv benachteiligen würde, und zwar sofort und unmittelbar. Auch hier bin ich überzeugt, dass eine Lösung auf Handelsebene deutlich sinnvoller wäre, weil hier Übergangslösungen gefunden werden können (und müssten). Fernziel muss natürlich sein, die Unterschiede zwischen formeller und informeller Wirtschaft zu verringern im Sinne steigender internationaler Standards.


6. Da ich vollen Zugang zu allen Informationen und Möglichkeiten des Entwicklungsausschusses im Deutschen Bundestag habe, bin ich überzeugt, dass ich genug Zugang zu Informationen habe, um die Folgen der geplanten Gesetzgebung einzuschätzen. Dies gilt allerdings nicht für alle Parlamentarier – Mitglieder anderer Ausschüsse müssen da ungleich mehr Aufwand erbringen. Das ist aber insgesamt kein grundsätzliches Problem: Der Deutsche Bundestag ist ein arbeitsteiliges Parlament. In den Fraktionen vertrauen sich die Kollegen untereinander in der Facheinschätzung. Und wenn dann die Kollegen aus dem Entwicklungsausschuss Entscheidungen fällen, schließen sie sich an. Im Grunde sind dann auf der Ebene, auf der die Entscheidung wirklich gefällt wird, auch die entsprechenden Kompetenzen und die Informationen vorhanden.

Antworten von Frau Lips:

Zu allen entwicklungspolitischen Fragen in Minen im Kongo kann ich keine Stellung nehmen, sondern möchte einige Bezüge zum Lieferkettengesetz kurz kommentieren:

Zunächst sehe ich kein Problem darin, dass Produkte, die nach besonderen Standards produziert werden, auch mit Labeln gekennzeichnet werden und dann auch damit werben; das ist bei allen Ökosiegeln auch der Fall; den Vorwurf des Greenwashings verstehe ich insofern nicht.

Zum Verfahren möchte ich anmerken, dass wir uns z.Zt. noch im ministeriellen Vorverfahren befinden; die beteiligten Ministerien BMZ, BMAS und BMWi haben sich am 12.2.2021 zunächst auf einen Referentenentwurf geeinigt. Den Bundestag hat also offiziell auch noch gar kein Entwurf erreicht. Gleichwohl sind die Fachpolitiker bereits jetzt intern intensiv damit befasst. Im späteren parlamentarischen Verfahren werden umfangreich auch Experten in Anhörungen gehört werden. Dieses Gesetz wird wie andere auch umfangreich vorbereitet, ein Kommunikationsdefizit und mangelnde Informationen für Abgeordnete im Gesetzgebungsverfahren werden nicht gegeben sein.

Für Ihre Masterarbeit wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

Fragen von helgawiegel an Herrn Mansmann und Frau Lips, deren Antwort darauf

Guten Abend,

Ich habe eineFrage an Herr Mansmann,

wieso glauben Sie, dass sich der deutsche Mittelstand zurückzieht, wenn er keine Menschenrechtsverletzungen mehr durchführen darf?

In Unternehmen, die Menschenrechte und Umweltschutz berücksichtigen, haben doch überhaupt nichts zu befürchten!

 Vielen Dank für die Beantwortung

Viele Grüße

Helga Wiegel

Antwort von Till Mansmann:

In Ihrer Frage schwingt eine Behauptung mit, die meines Erachtens ein wenig an der Sache vorbeigeht. Ich versuche das anhand eines Beispiels zu erläutern: Ich habe ein altes, denkmalgeschütztes Haus. Ich darf Änderungen an meinem Haus nur vornehmen, wenn ich mir vorher (!) eine Genehmigung des Denkmalschutzamtes hole. Dafür erhalte ich Steuererleichterungen (Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen), die allerdings den Mehraufwand nicht abdecken. Kurz: Sehr viel Bürokratie, wenig Vorteile. Ich wohne gerne in einem alten, schönen Haus. Aber wegen des Denkmalschutzes sind gerade für Privatpersonen denkmalgeschützte Häuser unattraktiv. Wenn ich nun sagen würde, ich bin gegen einen bürokratischen Denkmalschutz – würden Sie dann daraus auch den Schluss ziehen, dass Menschen lieber in hässlichen Häusern wohnen? Ich würde sagen – es besteht die Gefahr, dass schöne alte Häuser nicht mehr attraktiv sind, weil die Leute es hinnehmen, in einem hässlichen Haus zu wohnen, weil sie da ja öfter raus- als draufschauen, weil ihnen die Kosten und der bürokratische Aufwand einfach zu hoch sind. Die Folgen davon sehen wir in vielen Innenstädten, in denen denkmalgeschützte Häuser einfach verfallen. Aber daraus zu schließen, die Menschen mögen hässliche oder gar verfallende Häuser, wäre grundfalsch.

So ist es auch mit dem Mittelstand: Wenn Sie einem Mittelständler, der noch nicht in einem Entwicklungspartnerland aktiv ist, sagen: Wenn Du Dich für eine Investition entscheidest, musst Du alle Deine Lieferketten in großer Tiefe kontrollieren, und wenn Dir dann Fehler passieren, bist Du strafrechtlich (!) verantwortlich. Und um das Risiko zu reduzieren, musst Du diese und jene Bürokratie erfüllen – dann entscheidet er sich schlicht oft so: Dann lasse ich diese Investition, weil mir das strafrechtliche Risiko zu hoch und die Bürokratie zu viel ist. Und genau das wäre unglaublich schädlich – nicht für den Mittelständler, sondern für die EZ-Partnerländer und ihre Wirtschaft, weil diese Länder dringend Investitionen und Know-how (beides kann der deutsche Mittelstand hervorragend bringen) brauchen!


Die Weltbank hat im Oktober geschätzt, dass die Corona-Krise weltweit 150 Millionen Menschen, die bereits die Zone der schlimmsten Armut verlassen hatten, wieder in extreme Armut zurückgefallen sind (Verfügung über weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag). Weltbankchef David Malpass hat dazu gesagt: „Die Pandemie und die globale Rezession könnten dafür sorgen, dass 1,4 Prozent der Weltbevölkerung in extreme Armut fallen.“ Inzwischen stellen wir weltweit fest, dass der Kampf gegen Corona schwere Rückschläge erlitten hat und weiter zu erleiden droht – der Schaden wird also eher deutlich größer ausfallen! Wohlgemerkt – ein sehr großer Teil dieses Schadens entsteht dadurch, dass wir aus (leider allzu berechtigter Angst vor dem Virus) viele Lieferketten unterbrochen und unsere eigene Wirtschaft heruntergefahren haben. In Deutschland diskutieren wir darüber, ob der wirtschaftliche Schaden möglicherweise zu groß ist – in den Staaten des globalen Südens ist das gar keine Frage! Dort ist der wirtschaftliche Kollateralschaden in der ersten Welle um ein Vielfaches größer als der eigentliche Pandemie-Schaden gewesen! Die zweite Welle trifft Afrika jetzt leider zusätzlich härter – zusätzlich zu den anhaltenden wirtschaftlichen Schäden.

https://www.welt.de/finanzen/article217344032/Weltbank-Corona-stuerzt-150-Millionen-zusaetzlich-in-absolute-Armut.html
Aus diesem Artikel: „In den afrikanischen Staaten rechnet die Weltbank allein in diesem Jahr mit 26 bis 40 Millionen mehr extrem Armen gegenüber den Prognosen vor der Pandemie. In Südasien – also im Wesentlichen in Indien und Bangladesch – liegt die Zunahme sogar bei 49 bis 57 Millionen.“
Und: „Das wichtigste und effektivste Instrument zu einer Verringerung der Armut wäre jedoch ein schnelles Ende der globalen Rezession und ein starker konjunktureller Aufschwung.“ Gefordert werden dazu vor allem Investitionen. Die Bundesregierung forciert einen „Marshallplan mit Afrika“, die EU legt einen „Afrika-Investitionsplan“ auf. In einer gemeinsamen Initiative sprechen die African Development Bank (AfDB), Asian Development Bank (AsDB), die European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), die European Investment Bank (EIB), die Inter-American Development Bank Group (IDBG) und die World Bank Group (WBG) gemeinsam mit dem Internationalen Währungs-Fonds (IWF) von einem nötigen Perspektivwechsel in den Investitionen alleine für Afrika von „billion to trillion Dollars“, also von Milliarden zu Billionen (Tausenden Milliarden) US-Dollar Investitionsbedarf, um die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG) noch zu erreichen. Dieses Geld können Staaten nicht bereitstellen! Deutschland hat ein Budget des Entwicklungsministeriums von 10 Milliarden Euro im Jahr – das ist gerade mal ein Prozent von einer Billion – und diese Rechnung betrifft erst einmal nur Afrika! Es ist unglaublich dringend nötig, Investitionskapital aus den Unternehmen der reichen Länder zu gewinnen, um diese Summen aufzubringen. Deswegen sollte alles, was die Investitionsbereitschaft schwächt, sehr gut überdacht werden!
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Meine Anmerkung zum Beitrag von Herrn Mansmann,

Afrika braucht eine globale Vernetzung, ja, aber nur zu fairen Bedingungen und unter der Prämisse, dass Afrika davon auch profitiert. Was nützt es Afrika bzw. seinen Bewohnern und Bewohnerinnen, wenn wir z. B. -wie es geschieht- unsere westlichen Produkte dorthin exportieren und die einheimischen Produkte vom Markt verdrängen. Auf diese Art und Weise nehmen wir den Afrikanern selbst die kleinste Möglichkeit der ökonomischen Eigenständigkeit. Insofern sind wir ein Stück weit auch Schuld an der wirtschaftlichen Misere, und die aktuelle Globalisierung ist schon so etwas wie ein neuer Kolonialismus. Die Industrieländer profitieren überdies von Hungerlöhnen, zu denen sie ihre Produkte in südlichen Ländern produzieren lassen. Und ja, wir sind auch national verantwortlich. Als Nation und jeder für sich. Sich immer mit Europa zu entschuldigen, ist eine Ausrede, die so nicht hingenommen werden kann. Siehe auch die Flüchtlingsmisere in den Lagern vor den Toren Europas, für die ich mich schäme. Menschen erfrieren und wir schauen zu.

Für mich ist ein Lieferkettengesetz die einzig richtige Antwort, um diese ungerechte Schräglage zumindest im Ansatz zurechtzurücken.

Im Übrigen bedaure ich es sehr, dass Herr Dr. Gerd Müller seinen Rückzug angekündigt hat. Ich frage mich warum.

Antwort von Herrn Mansmann: Unter dem Strich profitieren beide Seiten von einem freien Handel (der auch Regeln braucht). Würden wir die Handelsbeziehungen mit anderen Ländern beenden, wäre das für die meisten Regionen der Welt in den Folgen weitaus schlimmer als für uns! Es ist eben genau die Aufgabe der handelnden Staaten, diesen Handel so zu regulieren, dass die von Ihnen beschriebenen Schieflagen nicht auftreten. Dafür halte ich aber ein Lieferkettengesetz genau für die falsche Antwort, weil so Investitionen unterbunden werden – was für die Zielstaaten unserer Investitionen ein viel größeres Problem als für uns darstellt. Ich glaube nicht, dass es dem deutschen Mittelstand schadet, wenn er sich zum Beispiel in Afrika (da ist der Bedarf am größten) nicht engagiert. Das macht er ohnehin kaum. Aber die dortigen Staaten brauchen dringend sehr viel mehr Investitionen und Know-how-Übertragung aus den Industriestaaten!
Siehe dazu auch meine Anmerkungen zum Investitionsbedarf in Afrika in der Frage von Frau Wiegel.
Wenn unsere Gesetzgebung am Ende dazu führt, dass Investitionen reduziert werden, dann bin ich überzeugt, dass wir nicht nur einen entsprechenden wirtschaftlichen Schaden dort anrichten – wir treiben diese Länder dann auch in die Hände der Handelsmacht China. Ich halte das Lieferkettengesetz auch im Systemwettbewerb mit China für die falsche Antwort. Richtig wäre eine Handels-Antwort der EU, in der China auch gleich mit berücksichtigt werden kann. Denn wir brauchen nicht nur entsprechende Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte, sondern künftig auch hinsichtlich des Klimaschutzes (CO2-Bepreisung). Das sind ähnliche Probleme, die da auftreten, und auch hier halte ich einen europäischen Handelsmechanismus für die effektivste Lösung, nicht nationale Gesetzgebungen.
Bundesminister Gerd Müller zieht sich übrigens nicht wirklich zurück. Es zieht in vielmehr auf die internationale Bühne: Er möchte Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) in Wien werden. Ein lukrativer neuer Job, kein Rückzug.

Nachtrag:

 Frau Lips: „Ich mache etwas Gutes nicht, weil dann vielleicht andere das Schlechte an unserer Stelle übernehmen?“ Was ist das für eine Argumentation! Wir müssen endlich anfangen, dazu beizutragen, durch unser Verhalten ein anderes Bewusstsein zu generieren. Ansonsten wird unsere Welt teuer dafür zahlen, und zwar schon bald. Und noch mehr Flüchtlinge werden vor der Tür stehen, die wir dann abweisen, weil ja Europa zuständig ist, und die meisten ja doch nur Wirtschaftsflüchtlinge sind.

Antwort Frau Lips:

Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat einmal gesagt „Unsere Herzen sind weit, aber unsere Möglichkeiten begrenzt“. Das trifft die Sache sehr gut.

Schon aus unserem Werteempfinden heraus ist es notwendig, Menschen in Schwellenländern eine Perspektive in ihrer Heimat zu ermöglichen. Diese Perspektive schaffen Sie nicht, in dem Sie in Deutschland Unternehmen mit Begründungs- und Nachforschungspflichten beschweren. Einen viel größeren Einfluss haben die Verbraucher, als sie dies selbst zugeben. Gerade größere Unternehmen setzen heute schon viel stärker auf CSR (Corporate Social Responsibility zu Deutsch: Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung). Durch entsprechende Siegel wie „fairtrade“ und ähnliches können Verbraucher ihr Verhalten schon heute daran orientieren.

Wir müssen auch in den Ländern, in denen es zu Menschrechtsverletzungen kommt, darauf hinarbeiten, dass diese abgeschafft werden. Daher unterstützt Deutschland weltweite Projekte, die mein Kollege Bundesminister Dr. Gerd Müller immer am Laufen hält. Er zeigt auch gezielt auf, wo Probleme liegen, vor denen auch allzu oft die Augen verschlossen werden. Daher bin ich ihm und seinen Mitarbeitern dankbar für ihren Einsatz. In diesem Zusammenhang lassen Sie mich erwähnen, dass Gerd Müller ein sehr erfolgreicher Minister ist. Er wird auch nach seinem Ausscheiden aus der Politik ein Mahner für Menschenrechte sein. Aber jedes politisches Amt ist nur auf Zeit vergeben, und es ist auch seine eigene und sehr persönliche Entscheidung, wann er als Berufspolitiker aufhören möchte. Ich denke, dass seine Entscheidung Respekt verdient.

Fragen von Margit Binz an Herrn Mansmann und seine Antwort:

Fragen an Herrn Mansmann:

Warum sollte sich denn der deutsche Mittelstand in Afrika und anderswo mit Investitionen zurückhalten anstatt fairer zu investieren?

Was tut die FDP um sich für europäische Regelungen einzusetzen?

Freundliche Grüße,

Margit Binz

Antwort von Herrn Mansmann:

Es geht darum, dass künftig mit einem LKG eine Investition in einem anderen Land mit strafrechtlichen Risiken und enormer Bürokratie verbunden ist, eben um diese Risiken zu minimieren. Schon heute investiert der deutsche Mittelstand viel zu wenig, vor allem in Afrika.

Deswegen hat die Bundesregierung, in maßgeblicher Mitwirkung von Kanzlerin Merkel und Entwicklungsminister Müller, umfangreiche Programme aufgelegt.
Auch hier wieder: Siehe dazu auch meine Anmerkungen zum Investitionsbedarf in Afrika in der Frage von Frau Wiegel.
Nun kommen wir in die Situation, dass die Regierung den Mittelständlern sagt: Wir wollen, dass Ihr mehr in Afrika investiert, dafür bekommt Ihr diese und jene Programme (die viele Mittelständler deswegen nicht nutzen, weil sie die damit verbundene Bürokratie ablehnen). Wenn Du aber investierst, musst Du Deine Lieferkette bis zum Ende kontrollieren. Wenn Dir dabei in diesem fernen Land aber ein Lieferant durchrutscht, bist Du strafrechtlich dran. Dann liegt die Folge auf der Hand: Es wird nicht investiert.

Frage von sabine.schnurr, Antworten von Herrn Mansmann und Frau Lips:

Hallo ! Können Sie etwas über geplante Strafverfolgung und Sanktionen / Strafen sagen? Mir ist nicht klar, wer hier wen kontrollieren wird.

 Danke.

Antwort von Herrn Mansmann:

Kern ist: Es soll in einem Lieferkettengesetz das deutsche Straf- und Zivilrecht angewendet werden. Die Informationsbasis dafür ist allerdings die Lage in einem anderen Land. Eine Kontrolle in den Ländern muss also erfolgen. Ich bin überzeugt, dass dies am Ende in einem unübersichtlichen „Gütesiegel“- System enden wird, bei dem die Gerichte dann entscheiden müssen, ob die Qualität dieser Siegel ausreicht, die strafrechtlichen Risiken abzuwehren. Ich bin überzeugt, dass diese Kontrolle am Ende keine Aufgabe der Unternehmen, sondern der Staaten ist. Daher halte ich eine Lösung über die europäische Handelskompetenz für systematisch sehr viel besser als die Übertragung des Problems auf die Privatwirtschaft – die sich schlicht mit Investitionsverweigerung entziehen wird. Das erklärt meines Erachtens auch, warum gerade viele große Unternehmen, die bereits in Afrika investiert haben, ein LKG für gut halten: Sie haben mit der Bürokratie, mit den Strukturen in den Ländern, in denen sie bereits vertreten sind, viel weniger Probleme als jedes Unternehmen, das erst den Marktzugang sucht. Diese mögliche Konkurrenz aus dem Mittelstand schafft ein Lieferkettengesetz den großen Playern vom Hals. Das ist gut für die großen Unternehmen, aber schlecht für die Länder, die Wirtschaft dieser Länder und damit für die Menschen dort.

Antwort von Frau Lips:

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 12.2.2021 sieht die Möglichkeit von Zwangs- und Bußgeldern vor, die in einen Fonds zur Stärkung menschenrechtlicher Sorgfalt in der globalen Wirtschaft fließen sollen.

Bei Verstößen können Unternehmen zudem bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgenommen werden.

Frage von gwerum und Antworten von Herrn Mansmann und Frau Lips:

Frage an die MdBs:

Politik zeigt gerade, dass sie in der Lage ist, schwierige Situationen zu meistern und auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Warum ist es so schwer, sich gegen den Widerstand von Unternehmen und Verbänden durchzusetzen und, ähnlich wie seinerzeit beim Produkthaftungsgesetz, sich für das Wohl Mensch und Umwelt einzusetzen?

  • 1 des Produkthaftungsgesetzes: (1) Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Könnte ein Lieferkettengesetz nicht genauso beginnen:

Wird durch die Herstellung eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller bzw. der, der es in Umlauf bringt, des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Antwort von Herrn Mansmann:

Den behaupteten Widerstand der Wirtschaft halte ich für weit überschätzt. Wer leistet den denn? Die Lage ist eigentlich anders: Die deutschen Unternehmen, die bereits etablierte Wirtschaftsbeziehungen in diesen Ländern haben, sind zu einem großen Teil für ein Lieferkettengesetz, weil ihnen das Wettbewerber vom Hals hält. Weil diese möglichen Wettbewerber sagen: Wenn Ihr so ein Gesetz erlasst, investieren wir da halt nicht. Und das halte ich für einen gigantischen Fehler, der zum Nachteil weniger der deutschen Wirtschaft, vielmehr aber der Wirtschaft der anderen Länder wird. Es ist ein Medikament mit gravierenden Nebenwirkungen. Und ich fürchte, dass die Nebenwirkungen sogar größer sind als die Wirkung selbst. Darum geht es bei meiner Kritik an einem Lieferkettengesetz.
Auch hier wieder: Siehe dazu auch meine Anmerkungen zum Investitionsbedarf in Afrika in der Frage von Frau Wiegel.

Antwort von Frau Lips:

Beim Produkthaftungsgesetz hat das Unternehmen, welches das Endprodukt in den Verkehr bringt, die faktische Möglichkeit (und natürlich auch die Pflicht), die von dem Produkt ausgehenden Risiken der Anwendung zu prüfen, Mängel abzustellen etc.; daher regelt das ProdHaftG dann, dass der Hersteller für die genannten durch Produktfehler bedingten Schäden beim späteren Gebrauch zu haften hat.

Die rein faktische Kontrollmöglichkeit über alle Vorstufen und Vorprodukte im Sinne des Lieferkettengesetzes und die politischen und umweltbezogenen Umstände in allen Herstellungsländern von Vorprodukten hat ein Unternehmen in der Lieferkette überhaupt nicht; für eine faktische und rechtliche Unmöglichkeit kann es nicht vergleichbar einstehen und zum Schadensersatz verpflichtet sein; daher ist der Vergleich zum ProdHaftG und eine analoge Übertragung der Regelung kaum möglich.

Fragen an Herrn Mansmann, seine Antworten und Statement der Initiative LKG:

Fragen an Herrn Mansmann:
Sie erwähnten, dass ein deutscher Alleingang sich nicht mit der europäischen Hoheit von Handelsfragen vertragen würde. Was haben Frankreich und die Niederlande anders gemacht, um eine nationale Regelung umzusetzen?
Wieso haben Frankreich und die Niederlande die UN-Treaty (UN-Menschenrechtsabkommen zu transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen) bereits umgesetzt, ohne auf eine europäische Lösung zu warten?
Die Umsetzung des UN-Treaty Prozess wird hauptsächlich von Ländern aus dem Globalen Süden vorangetrieben. Das widerspricht doch Ihrer These, dass Lieferkettengesetze nicht im Interesse der Entwicklungsländer wäre, oder?

Antwort: In Europa ist die EU für Handelsfragen zuständig – das ist in einem Binnenmarkt auch völlig logisch und systematisch richtig. Innerhalb dieser Zuständigkeit der EU regeln aber die Nationalstaaten ihre eigenen Angelegenheiten – es muss nur immer im Einklang mit den Verträgen sein, die einseitig darauf achten, dass die Wirtschaft von EU-Partnerstaaten in einem EU-Staat nicht benachteiligt wird. Wir dürfen zum Beispiel keine französischen Unternehmen benachteiligen. Aber unsere eigenen schon. Und genau das droht immer, wenn nationale Alleingänge gemacht werden. So können bei einem deutschen Lieferkettengesetz, dass beispielsweise für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern gilt (das ist eine Zahl, die derzeit diskutiert wird), Unternehmen in Haftung genommen werden. In Frankreich ist die Größenordnung aber „ab 5.000 Mitarbeitern“. Also kann ein französisches Unternehmen mit 501-4999 Mitarbeitern Waren importieren, die ein deutsches nicht importieren darf (beziehungsweise darf auf die entsprechende Kontrolltiefe verzichten, ohne sanktioniert zu werden). Das französische Unternehmen hat also einen immensen Wettbewerbsvorteil – und darf seine Ware in Deutschland aber verkaufen (die EU verbietet eine Diskriminierung des Unternehmens, obwohl es ja UNSER Lieferkettengesetz nicht einhält – das ist halt nur national). Genau deswegen sind wir fest überzeugt, dass es eine europäische Lösung geben muss. Die Behauptung, das Lieferkettengesetz wäre im Interesse der anderen Staaten, setzt voraus, dass ein anderer Staat sich auf den Standpunkt stellt: „In meinem Land herrschen Bedingungen, die ich nicht lösen kann, deswegen bin ich froh, dass ein anderer Staat, der meint, das lösen zu können, in die Produktionsstätten auf meinem Gebiet hineinregiert.“ Ich bin überzeugt, dass die meisten Staaten diese Auffassung NICHT teilen, sondern auf der Zuständigkeit für solche elementaren rechtlichen Verhältnisse auf ihrem Territorium bestehen. Aber wenn Sie mir einen Handelsminister oder gar Staatschef eines anderen Staates nennen, der sich so oder so ähnlich geäußert hat, lasse ich mich in einzelnen Fällen auch eines Besseren belehren. Für eine allgemeingültige Meinung halte ich das jedoch nicht.

Stellungnahme der Initiative Lieferkettengesetz:

Die bestehenden Gesetze in Bezug auf Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten oder Berichterstattung verfolgen unterschiedliche Ansätze. Allgemein zeichnet sich ab, dass Sorgfaltspflichten als Prozessvorgabe in Kombination mit Haftungsrisiken am effektivsten, und reine Berichtvorgaben schwach in der Umsetzung erscheinen. Der UK Modern Slavery Act, der Unternehmen eine Berichtspflicht auferlegt, wurde 2019 evaluiert: Zwar wird dem Gesetz ein Beitrag zur Aufklärung und Sensibilisierung zugeschrieben, allerdings wird die Berichtspflicht als wenig effektiv bewertet, da sie zur Ankreuz-Übung verkommen sei und etwa 40 Prozent der in Frage kommenden Unternehmen die Vorgaben nicht erfüllen. Es gibt auch keine Sanktionsmaßnahmen für nicht erfüllende Unternehmen. Für eine umfassende Evaluation des Lieferkettengesetzes in Frankreich von 2017 oder des Gesetzes in den Niederlanden von 2019 ist es noch sehr früh. In Frankreich wurde bislang eine Klage gegen das französische Unternehmen Total eingereicht. Das französische Parlament hat für 2020 eine erste Evaluation geplant.

Erfahrungen der EU-Konfliktrohstoffverordnung zeigen, dass die Regulierung unterschiedliche Auswirkungen auf große und kleine Wirtschaftsakteure in den Lieferketten haben kann. Kleine und besonders informelle Akteure können benachteiligt werden oder sind mit höheren Hürden konfrontiert, um die Vorgaben zu erfüllen. Konflikte zwischen industriellem Bergbau und Kleinschürfer*innen können sich verschärfen. Entwicklungspolitische Begleitmaßnahmen zur Formalisierung des Kleinbergbaus sowie die Förderung der Möglichkeiten für Kleinschürfer*innen, sich gewerkschaftlich bzw. über Interessensvertreter*innen zu organisieren, sind daher zu empfehlen. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass Handelsabkommen die Interessen von Unternehmen nicht über die Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards stellen. Außerdem sollte im Anwendungsbereich kein regionaler Fokus in der Definition von Risikofaktoren gewählt werden, da so einzelne Länder oder Regionen Gefahr laufen, boykottiert zu werden, indem Produktionsstätten verlegt werden. Ebenso sollte eine Regelung sektorübergreifend ansetzen, da sich ansonsten Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Regionen aus einem Sektor, beispielsweise aus dem Bergbau, auf andere Sektoren, wie der Landwirtschaft verschieben können.

Anmerkung von y.toma mit Antworten von Herrn Mansmann und Frau Lips:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich möchte mich zu dem Argument der Gegner des LKG äußern: Das Gesetz funktioniert nur, wenn in allen Ländern, zumindest in allen Industrieländern gilt. Ihre Begründung, vereinfacht dargestellt: Wenn unser Wettbewerber nicht dem Gesetz unterliegen, können sie viel billiger produzieren und wir würden unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren (Verlust von Wachstum, Arbeitsplätze usw. usw.).  Sie sagen sinngemäß: Wenn unsere Wettbewerber Menschenrechte, Umweltschutz etc.  mit den Füßen treten, dann muss das auch uns erlaubt sein, sonst können wir nicht mehr konkurrenzfähig. 

Meine Meinung und Lösungsvorschlag: Alle Produkte, die in unser Land eingeführt werden, müssen nach den Vorgaben unseres LKG produziert worden sein. Unsere Unternehmen werden nicht mit Unternehmen konkurrieren müssen, die die Verpflichtungen des LKG nicht erfüllen.  In anderen Worten: So werden die Unternehmen, die „anständig“ produzieren gegenüber den Wettbewerbern geschützt, die Menschen, Umwelt und Ressourcen ausbeuten, ohne Rücksicht auf Menschenrechte, Umweltschutz etc. etc.

Das zum Thema: Erhaltung unserer „Konkurrenzfähigkeit“.

Vielen Dank für die interessante Diskussion und für Ihren Einsatz für das Lieferkettengesetz.

Beste Grüße   

Antwort von Herrn Mansmann:

Das sehe ich ähnlich, deswegen plädieren wir auch für eine EU-Handels-Lösung. Die würde genau dafür sorgen, dass die Regeln für alle Länder in der EU genauso wie für alle Handelspartner gelten. Ihr Hinweis auf unsere Wettbewerber ist auch ganz richtig: Ich bin überzeugt, dass auch China großes Interesse daran hat, dass wir ein Lieferkettengesetz erlassen …

Antwort von Frau Lips:

Dies ist ein optimaler Wunschzustand und bis dahin noch ein weiter Weg. Da muss ich mich fragen, was nach strengen Maßstäben noch nach Deutschland eingeführt werden darf, vor allem wenn man an Produkte mit hoher Fertigungstiefe denkt. Die meisten Produkte werden in Deutschland gar nicht mehr produziert. Können wir dann überhaupt noch z.B. Handys oder sonstige Technikprodukte guten Gewissens kaufen oder Medikamente wie Antibiotika, deren Vorprodukte v.a. aus Asien kommen, einnehmen? Es ist eine langfristige Bewusstseinsänderung erforderlich.

Ebenfalls wäre es erforderlich, den europäischen Binnenmarkt – wie wir ihn heute kennen – quasi aufzukündigen. Der europäische Binnenmarkt sieht vor, dass ein Produkt, dass einmal in die Europäische Union eingeführt worden ist, ohne weitere Regelungen oder Kontrollen in einem weiteren Mitgliedsstaats verkauft werden kann. Im Ergebnis müsste man die europäischen Verträge dazu komplett neu verhandeln. Da bin ich durchaus der Auffassung, dass es einfacher und schneller geht, eine europäische Lösung für ein Lieferkettengesetz zu finden.

Anmerkung von horst.schultze mit Antworten von Herrn Mansmann und Frau Lips:

Das Lieferkettengesetz kann von großen Unternehmen sicherlich bürokratisch bewältigt werden, kleine Unternehmen können das sicherlich ohne zusätzlichen Personalaufwand nicht leisten. Bitte keinen deutschen Alleingang, das führt zu Wettbewerbsverzerrungen.

Beste Grüße

Horst Schultze

Antwort von Herrn Mansmann:

Das ist richtig – gerade die Wettbewerbsverzerrungen müssen wir beachten. Es muss unbedingt vermieden werden, dass deutsche oder europäische Unternehmen bestimmte Produkte nicht mehr herstellen dürfen oder können, und dann Produkte aus China, den USA oder anderen Nicht-EU-Staaten eingeführt werden, die diese Verbotsversuche umgehen. Dafür kann meines Erachtens nur die geballte EU-Macht sorgen, kein Flickenteppich aus nationalen Lieferkettengesetzen.

Antwort von Frau Lips:

Dem Einwand stimme ich vollumfänglich zu.

Fragen an Frau Lips und ihre Antworten:

 

Wieso haben Frankreich und die Niederlande die UN-Treaty (UN-Menschenrechtsabkommen zu transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen) bereits umgesetzt, ohne auf eine europäische Lösung zu warten?

Die Umsetzung des UN-Treaty Prozess wird hauptsächlich von Ländern aus dem Globalen Süden vorangetrieben. Das widerspricht doch der These, dass ein Lieferkettengesetz nicht im Interesse der Entwicklungsländer wäre, oder?

Antwort von Frau Lips:

Frankreich hat mit dem „Loi de vigilance“ ein Lieferkettengesetz vorgelegt, das menschenrechtliche und umweltrelevante Sorgfalt als Maßstab setzt. Jedoch findet dieses Gesetz nicht für jedes Unternehmen Anwendung. So werden nur französische Unternehmen mit mehr als 5000 Arbeitnehmern in Frankreich bzw. 10.000 Arbeitnehmern weltweit verpflichtet, einen sog. plan de vigilance zu erstellen. Jedoch sind die Voraussetzungen, nach denen ein Schadensersatzanspruch zugesprochen wird, sehr hoch angesetzt. So muss es einen Zusammenhang zwischen dem Fehlen des plan de vigilance und dem Schaden geben. Daneben sind noch weitere Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch zu erfüllen, die im Code de commerce bzw. im Code civil kodifiziert sind. Auch sieht die französische Regelung keine Sanktionen für Unternehmen vor, die keinen solchen Plan haben, sondern allenfalls mögliche Schadensersatzforderungen durch Betroffene. Es gibt in der französischen Regelung keine Haftung für fremdes Verschulden, sondern nur im Falle der eigenen Sorgfaltspflichtverletzung.

Die Niederlande beschränken ihr „Lieferkettengesetz“ bisher nur auf den Bereich der Kinderarbeit. Die Unternehmen sollen also sicherstellen, dass die Produkte frei von Kinderarbeit sind. Soweit ein begründeter Verdacht vorliegt, dass Kinderarbeit involviert sein könnte, müssen sie Aktionspläne ausarbeiten, um dem Problem zu begegnen. Es wird jedoch gerade nicht verlangt, dass sie garantieren müssen, dass keine Kinderarbeit vorliegt, sondern sie müssen nur darlegen, dass sie alles getan haben, um diese in der Produktionslinie zu verhindern.

Alleine die Unterschiedlichkeit in den Regelungen dieser beiden Länder zeigt auf, dass es insgesamt für alle besser wäre, wenn ein europäisches Lieferkettengesetz einen einheitlichen Maßstab setzen würde.

Die zweite These kann ich so nicht bestätigen, da die Länder des globalen Südens es durchaus anpacken könnten, eigene und schärfere Regelungen zu treffen, diese aber bisher in diesem Maße noch nicht umgesetzt haben. Auch hier halte ich es für sinnvoller, wenn ein einheitlicher europäischer Standard auch den Ländern des globalen Südens einen vereinheitlichten Zugang auf den europäischen Mark verschafft, anstatt mit 27 unterschiedlichen Modellen von Lieferkettengesetzen belastet zu werden. An einer europäischen Lösung wird ebenfalls gearbeitet.

Frage von reinerpaulbram an Herrn Zimmermann

Ich hoffe, Herr Zimmermann, die SPD bleibt bei ihren Forderungen entsprechend den Anforderungen der Initiative Lieferkettengesetz an ein wirksames LKG. Wollen Sie etwa noch hinter den Entwurf von Herrn Müller zurückgehen ? Ein wachsweicher Kompromiss, der diese Forderungen (Haftung, Unternehmensgröße 500 usw.) völlig verwässert, nur um ein LKG zu bekommen und den Koalitionsvertrag zu erfüllen, wirft die Frage auf, ob man nicht besser darauf verzichtet. Das Vertrösten auf die nächsten Legislaturperioden, um ein wenig wirksames Gesetz nachzubessern, ist ein schwacher Trost. Dann wäre die Verlagerung auf die EU-Ebene noch zieführender, wenn sie denn nicht wie üblich dazu dienen soll, eine Regelung auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben, bis alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben.

Antwort:

Statement von Till Mannsmann (MdB FDP) und Antwort vom Weltladen Dachverband
Screenshots von FB

Statement von Daniela Wagner (MdB Bündnis90/Die Grünen)
Mittwoch, 7. Apr. 2021 09:41

Sehr geehrter Herr Werum,

zunächst möchte ich darum bitten, die längere Antwortzeit zu entschuldigen. Ich möchte Ihnen hiermit eine Einordnung der Grünen Bundestagsfraktion zum Gesetzentwurf eines Sorgfaltspflichtengesetzes zusenden. Darin werden auch ein großer Teil der von Ihnen an uns gesendeten Fragen beantwortet. Bzgl. weniger Detailfragen sind wir noch im Austausch mit Uwe Kekeritz, der Sprecher für Entwicklungspolitik der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN ist.

Spätestens mit Abschluss des Monitoring zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte musste der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD eingelöst und ein Gesetz über verbindliche unternehmerische Sorgfaltspflichten vorgelegt werden. Monatelang wurde allein die Verabschiedung von Eckpunkten über ein solches Gesetz im Kabinett durch Wirtschaftsminister Altmaier blockiert. Nun soll in einem Hau-Ruck-Verfahren vor Ende der Legislatur eine verwässerte Regelung durch den Bundestag gejagt werden.

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen setzt sich seit Jahren für eine Umsetzung der UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten im Rahmen eines verbindlichen Gesetzes ein. Zuletzt haben wir dies mit einem Antrag im Dezember 2019 gefordert:(https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/160/1916061.pdf). Wir werden das parlamentarische Verfahren zum Sorgfaltspflichtengesetz mit all unserer Kraft betreiben und uns für deutliche Nachbesserungen im vorgelegten Regierungsentwurf einsetzen. Am Ende hat das Parlament das letzte Wort. Dementsprechend muss das Gesetzgebungsverfahren transparent gestaltet und die Expertise von Sachverständigen im Rahmen von Anhörungen berücksichtigt werden.

Wir kritisieren den Regierungsentwurf vor allem aufgrund der fehlenden zivilrechtlichen Haftung. Dadurch bleibt es für Geschädigte nahezu unmöglich, das erfahrene Unrecht einzuklagen. Die Bundesregierung muss bei wirksamen Abhilfemöglichkeiten für Geschädigte von Menschenrechtsverletzungen noch dringend nachbessern. Auch dass nur sehr große Unternehmen unter das Gesetz fallen, schränkt die Wirksamkeit des Gesetzesvorschlags massiv ein. Darüber hinaus wäre im Umweltbereich deutlich mehr drin gewesen. Wir kritisieren ebenfalls die Verkürzung der Sorgfaltspflichten auf direkte Zulieferer. Damit wird ein Grundkonzept der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte untergraben. Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in Textilfabriken, Minen und auf Plantagen sind leider eine Realität, die wir aber nicht akzeptieren dürfen.

Wir werden im parlamentarischen Verfahren konkrete Verbesserungsvorschläge einbringen. Die Chance auf effektiven Umwelt- und Menschenrechtsschutz in internationalen Lieferketten darf nicht vertan werden. Deutschland muss sich auch auf EU-Ebene für eine starke Regulierung unternehmerischer Sorgfalt einsetzen.

Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne an uns wenden, oder auch an Uwe Kekeritz (uwe.kekeritz@bundestag.de)

Mit freundlichen Grüßen

Daniela Wagner

Weitere Fragen und Antworten der Initiative LKG

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